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Mythos Stalin

Um die Person des Josif Wissarionowitsch Stalin (Dushugaschwili) ranken sich viele Mythen. Die russische Geschichtswissenschaft arbeitet diese nach und nach auf. Die Datenbasis für ihre Arbeiten bilden in den letzten dreißig Jahren neu aufgefundene oder erstmals veröffentlichte Dokumente. Als erstes soll hier ein Dokument zitiert werden, das in Russland als allgemeine Grundlage für die Opferzahlen der Zeit von 1924 bis 1953 gilt (und auch von »Memorial« nicht bestritten wird). Ob es legitim ist, diese Opferzahlen um andere Kategorien zu erweitern (z.B. Deportation der Tschetschenen 1944 oder der »Wolgadeutschen« 1941 oder die Hungersnöte 1932-1933), ist strittig.

Vortragsnotiz des Generalstaatanwalts Rudenko u.a. für N.S. Chrustschow (Auszug)

K o p i e
Vollständig geheim
AN DEN SEKRETÄR DES ZK DER KPDSU
Genossen CHRUSTSCHOW N.S.

Rudenko-Schreiben
Fotokopie der Seite 1 des Schreibens

In Zusammenhang mit den im ZK der KPdSU von mehreren Personen eintreffenden Signalen bezüglich der ungesetzlichen Verurteilung wegen konterrevolutionärer Straftaten in den vergangenen Jahren durch das OGPU-Kollegium[1], die Troikas des NKWD[2], die Besondere Beratung[3], das Militärkollegium, Gerichte und Militärtribunale sowie gemäß Ihrer Anweisung, die Verfahren gegen Personen zu überprüfen, die wegen konterrevolutionärer Straftaten verurteilt wurden und gegenwärtig in Lagern und Gefängnissen gehalten werden, berichten wir:
Laut dem im Innenministerium der UdSSR vorhandenen Daten wurden in der Zeit von 1921 bis heute wegen konterrevolutionärer Straftaten durch das OGPU-Kollegium, die Troikas des NKWD, die Besondere Beratung, das Militärkollegium, Gerichte und Militärtribunale 3.777.380 Menschen verurteilt, darunter:
zur Höchststrafe[4] 642.980 Menschen,
zum Aufenthalt in Lagern und Gefängnissen mit einer Frist von 25 Jahren oder kürzer – 2.369.220 Menschen
zur Verbannung und Aussiedlung 765.180 Menschen.
Von der Gesamtzahl der Verhafteten wurden ungefähr 2.900.000 Menschen durch das OGPU-Kollegium, die Troikas des NKWD und die Besondere Beratung verurteilt, 877.000 Menschen durch Gerichte, Militärtribunale, das Sonderkollegium und das Militärkollegium.
[…]
[Unterzeichner des Schreibens sind:]
Vorsitzender der Zentralen Kommission
Gen. Rudenko   Generalstaatsanwalt der UdSSR
[sowie 14 weitere Mitglieder der Kommission]
Benutzte Quellen:
1. Archiv des Alexander Jakowlew, [Abschrift]
2. Russ. Website „Archive für die Schule“, dort Abschrift und Fotokopien.
[Auf der Fotokopie ist das Schreiben auf Dezember 1953 datiert, das Russische Staatsarchiv nennt den 1. Februar 1954]

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Anmerkungen:
[1] OGPU (Ob''edinënnoe gosudarstvennoe političeskoe upravlenie), Vereinigte Staatliche Politische Verwaltung, 1923-1934. Nachfolgeorganisation der Tscheka, ging 1934 im Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) auf; die Verfassung der UdSSR vom 21. Januar 1924 beschrieb ihre Aufgaben als „Vereinigung der revolutionären Anstrengungen der Unionsrepubliken im Kampf mit der politischen und ökonomischen Konterrevolution, der Spionage und dem Bandentum“
[2] Troikas des NKWD waren Organe der außergerichtlichen Repression antisowjetischer Elemente, sie bestanden von August 1937 bis November 1938 und konnten Haftstrafen von 8 bis 10 Jahren oder die Todesstrafe verhängen
[3] Besondere Beratung – beim NKWD angesiedeltes Verwaltungsorgan, konnte gegen „gesellschaftsgefährdende“ Personen die Strafen Verbannung, Inhaftierung im Arbeitsbesserungslager für höchstens fünf Jahre oder Deportation ins Ausland verhängen. Während des deutschen Vernichtungskriegs gegen die UdSSR wurden ihre Befugnisse um die Verhängung der Todesstrafe erweitert.
[4] gemeint ist die Todesstrafe

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2018-10-20